EILMELDUNG – Im Schatten von Weihnachten: Drohende NGT-Deregulierung in der EU – jetzt zählt unser Widerstand!
Liebe Imkerinnen und Imker,
liebe Vereinsvorsitzende und Vereinsaktive,
sehr geehrte Damen und Herren,
während viele von uns in der Vorweihnachtszeit mit Familie, Jahresabschluss und Vereinsarbeit ausgelastet sind, laufen in Brüssel entscheidende Verhandlungen zur Deregulierung der „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT). NGT sind moderne gentechnische Verfahren (z. B. CRISPR/Cas), mit denen Pflanzen gezielt im Erbgut verändert werden – und genau hier droht nun ein Kurs, der Transparenz, Vorsorge und Schutzmechanismen massiv abschwächt, mit direkten Folgen für Landwirtschaft, Lebensmittel und Imkerei.
Auffällig ist dabei ein bekanntes Muster: Politisch heikle Vorhaben werden gern in Zeiten geringer öffentlicher Aufmerksamkeit vorangetrieben – in den Sommerferien oder rund um Weihnachten, wenn viele mit anderen Themen beschäftigt sind. Gerade deshalb dürfen wir jetzt nicht leise sein.
Und bevor wir als Imkerschaft diesen Weg allein gehen, müssen wir eine klare Frage stellen: Wo stehen in Rheinland-Pfalz in dieser Auseinandersetzung die regionalen Gliederungen von NABU, BUND und anderen Umweltorganisationen? Unverbindliche Wohlfühl-Statements und „Schönwetter“-Kooperationen helfen uns nicht weiter. Wir brauchen erkennbare Positionen, konkretes Handeln und spürbaren politischen Druck – etwa auf die regionalen Europaabgeordneten –, damit Transparenz, Vorsorge und Koexistenz nicht still und leise geopfert werden.
Der derzeit absehbare Trilog-Kompromiss ist nicht akzeptabel. Wenn die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel faktisch verschwindet, steht das im klaren Widerspruch zu dem, was seit Jahren ein großer Teil der europäischen Verbraucher fordert: Wahlfreiheit.
Ohne eindeutige Kennzeichnung verlieren nicht nur Konsumenten die Möglichkeit zur selbstbestimmten Entscheidung, sondern ebenso wir Imker, Landwirte, Verarbeiter und Handel entlang der gesamten Lebensmittelkette. Ebenso wenig hinnehmbar ist es, das Vorsorgeprinzip auszuhöhlen, indem Risiken nicht mehr verpflichtend geprüft werden – damit würden Umwelt und Landwirtschaft sehenden Auges unnötigen Gefahren ausgesetzt.
Jetzt kommt es entscheidend darauf an, dass Deutschland im Agrarrat einem solchen Ergebnis nicht zustimmt. Und auch im Europäischen Parlament wäre eine Mehrheit offenbar nur erreichbar, wenn die EVP gemeinsam mit rechtsaußen Fraktionen votiert.
Wenn eine derartige Konstellation am Ende bewirkt, dass rund 450 Millionen Menschen in der EU künftig gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne Kennzeichnung konsumieren sollen, wäre das ein politischer Dammbruch.
Was ist passiert? – Kurzlage aus dem Trilog
In den jüngsten Trilog-Gesprächen der EU-Institutionen wurden zentrale Schutzforderungen offenbar weitgehend aufgegeben. Besonders kritisch: Für Kategorie 1 (NGT-1) – also den Bereich, der künftig am stärksten dereguliert werden soll – stehen bislang folgende Punkte im Raum:
Kategorie NGT-1: Die größten Risiken (aus Imker- und Verbraucherperspektive)
• Kennzeichnung nur beim Saatgut:
Nachbarbetriebe, Imkerinnen und Imker, Verarbeiter, Handel und Verbraucher würden bei Produkten nicht zuverlässig erkennen, ob NGT im Spiel ist.
• Keine Rückverfolgbarkeit:
Ohne Traceability wird es im Konfliktfall (Kontamination, Handelsfragen, Qualitätsnachweise) praktisch unmöglich, Ursachen sauber zu klären.
• Patente: nur vage freiwillige Regeln:
Ein unverbindlicher „Code of Conduct“ würde Patentriskiken nicht lösen: eingeschränkter Zugang zu Zuchtmaterial, Nachteile für kleine Züchter, Risiko von Patentstreitigkeiten – potenziell auch mit Auswirkungen auf landwirtschaftliche Betriebe, die mit Imkerei zusammenhängen.
• Keine Risikobewertung
• Kein Monitoring
• Keine Möglichkeit, Zulassungen zu widerrufen, falls später Risiken auftauchen
• Keine Haftung: faktisch ein Freibrief für Biotech-Konzerne
• Kein wirksamer Koexistenzschutz: Bio, konventionell und gentechnikfrei wären nicht ausreichend geschützt
Kleine positive Punkte (die das Grundproblem aber nicht lösen)
• Opt-out für bestimmte NGT-2: Einige der „härteren“ Fälle (z. B. herbizidtolerant, insektenabtötend) sollen in Kategorie NGT-2 bleiben; deren Anbau könnte national untersagt werden.
• Wenn herbizidtolerant oder toxinhaltig → NGT-2: Diese würden damit nicht vollständig dereguliert.
Was passiert als Nächstes?
Das Trilog-Ergebnis ist noch nicht „durch“. Entscheidend ist nun:
• Agrarminister im Rat und
• das Plenum des Europäischen Parlaments
müssen den Ergebnissen zustimmen.
Mehrheiten gelten als offen – einige Staaten könnten das Paket aber kritisch sehen. Genau hier liegt unsere Chance: Druck wirkt – aber nur, wenn er jetzt kommt.
Warum das uns Imker direkt betrifft
Für uns geht es nicht um Theorie, sondern um Praxis:
• Koexistenz ohne klare Regeln bedeutet: Risiko der Verdrängung gentechnikfreier Strukturen.
• Ohne Kennzeichnung & Rückverfolgbarkeit wird es schwer, Honig und Bienenprodukte glaubwürdig als gentechnikfrei zu positionieren – oder Konflikte überhaupt nachzuweisen.
• Ohne Monitoring/Risikoprüfung fehlt das Sicherheitsnetz, das wir bei Eingriffen in Ökosysteme dringend brauchen.
Jetzt zählt jede Stimme: Druck auf regionale Europaabgeordnete (MEPs)!
Das ist der Moment, in dem jede und jeder von uns etwas tun kann – und die Vereinsstrukturen sind dabei ein Schlüssel.
Was Vereine sofort tun sollten
• Mitglieder informieren (Mail/WhatsApp/Website) – heute, nicht „nach den Feiertagen“
• Einen kurzen Vereinsbeschluss/Statement formulieren
• Regionalpresse oder lokale Kanäle ansprechen (Leserbrief/kurzer Hinweis)
• Kontaktliste der regionalen MEPs sammeln und gezielt anschreiben/anrufen
Was jedes Mitglied tun sollte
• MEP im eigenen Wahlkreis anschreiben (persönlich, kurz, klar)
• Bundespolitische Ansprechstellen sensibilisieren (Ministerium, Ausschüsse, Abgeordnete)
• Beitrag teilen, im Umfeld darüber sprechen (Landwirte, Nachbarn, Verbraucher)
Textbaustein (zum Kopieren) für MEPs
Betreff: NGT-Deregulierung: Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Risikoprüfung und Koexistenz sichern
Sehr geehrte/r Frau/Herr [Name],
als Imker/in (und Mitglied im Imkerverein [Verein]) bitte ich Sie eindringlich, sich im Europäischen Parlament gegen eine Deregulierung von NGT einzusetzen, die ohne vollständige Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Risikobewertung, Monitoring, Haftung und wirksame Koexistenzregeln auskommt.
Für Imkerei, Landwirtschaft und Verbraucher ist Transparenz und Vorsorge unverzichtbar. Bitte lehnen Sie ein Trilog-Ergebnis ab, das diese Standards aufgibt, und setzen Sie sich für verbindliche Regeln ein.
Mit freundlichen Grüßen
[Name, Ort]
Gerade weil viele Menschen jetzt „mit Weihnachten beschäftigt“ sind, braucht es umso mehr Aufmerksamkeit von uns. Wenn wir in dieser Phase still bleiben, entscheiden andere über unsere Standards – und wir tragen später die Folgen.
Jetzt ist der Moment, gemeinsam sichtbar zu werden: als Imkerschaft, als Verbraucher, als Schutzgemeinschaft für Biodiversität.